Masive Verschlechterungen für Hartz IV Bezieher
Rechtsvereinfachungen gleich Rechtsverschärfungen für Hartz IV Bezieher
29.08.2014
Seit geraumer Zeit diskutieren Mitglieder einer sogenannten Bund-Länderarbeitsgruppe unter Regie der Bundesagentur für Arbeit unter dem Deckmantel mit dem harmlosen Titel "Rechtsvereinfachung"
Verschärfungen der Hartz IV Gesetzgebungen. Ein Referentenentwurf liegt seit einiger Zeit nun vor. Auf diese 36 Vorschlägen haben sich nun Bund und Länder geeinigt. Zentrale Vorschläge sind unter
anderem:
- Vereinfachungen im Sanktionsrecht wie die Angleichung der Sanktionsvorschriften für die Altersgruppen unter 25 Jahre und ab 25 Jahre und die Einführung eines einheitlichen Minderungsbetrages
für jede Pflichtverletzung,
- die Verlängerung des Regelbewilligungszeitraums auf zwölf Monate,
- die Zulässigkeit der Darlehensgewährung bei vorzeitigem Verbrauch einer einmaligen Einnahme,
- die Schnittstellen zur Ausbildungsförderung,
- die Aufnahme eines eigenständigen Tatbestandes zur vorläufigen Leistungsgewährung in das SGB II,
- die Ermöglichung einer trägerübergreifenden Aufrechnung und weitere Erleichterungen bei der Aufrechnung,
- sowie die Sicherstellung von Erstattungsansprüchen der Grundsicherungsträger gegen andere Sozialleistungsträger bei Vorleistungen.
Der Titel Rechtsvereinfachung führt in die Irre. Zwar sind auch Verbesserung für ALG II Leistungsberechtigte dabei, die Mehrheit der Vorschläge sind allerdings deutliche Verschlechterungen. So
sollen Hartz IV Beziehende nicht nur mehr kontrolliert und abkassiert werden, sondern es soll ein sogenanntes „Sonderrecht“ geschaffen werden, dass vom allgemeinen Sozial- und Verfahrensrecht
deutlich abweicht. Nicht umsonst kritisieren Erwerbslosen-Initiativen die Vorschläge als eine sogenannte „Sonderrechtszone“ die in den Jobcentern geschaffen werden sollen.
Folgende Verschärfungen sollen nach dem Willen der Bund-Länderarbeitsgruppe umgesetzt werden:
1. Die Möglichkeit, Verwaltungsakte mittels eines Antrags nach § 44 SGB X
rückwirkend überprüfen zu lassen, soll für den Rechtskreis des SGB II praktisch ausgeschlossen werden. Das ist ein gesetzgeberischer Freibrief für offenen Rechtsbruch durch die Jobcenter. Für
Widerspruchs- und Klageverfahren soll eine Gebühr fällig werden. So reduziert man den Verwaltungsaufwand.
2. Bei Terminversäumnissen, die den überwiegenden Teil der Sanktionen ausmachen, wird die Leistung nicht mehr um 10% sondern um 30% gekürzt. Beim 3. Terminversäumnis gibt es kein Geld mehr.
3. Die Kosten der Unterkunft werden bundesweit gedeckelt, so dass sich viele ihre Wohnung nicht mehr leisten können.
4. Monatlicher Datenabgleich mit anderen Stellen bezogen auf alle Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch wenn diese nicht vom Jobcenter abhängig sind. Die Bedarfsgemeinschaft soll
als Gesamtgläubiger gesamtschuldnerisch haften.
5. Die temporäre Bedarfsgemeinschaft (getrennt lebende Paare mit Kind) wird abgeschafft, wodurch Verwaltungsarbeit und
Geld eingespart werden.
Am 1. April 2015 soll die Rechtsvereinfachung in Kraft treten. Gewerkschaften und Erwerbslosengruppen mobilisieren derzeit bundesweit zu Protesten. (wm)
Einmal Hartz IV immer Hartz IV?
Etwa die Hälfte der Hartz IV-Bezieher hat kaum noch Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt
16.05.2014
Mehr als zwei Millionen Hartz IV-Bezieher sind seit vier Jahren oder länger auf Leistungen zur Grundsicherung nach SGB II angewiesen. Das ergab eine Studie des „Bremer Instituts für Arbeitsmarkt
und Jugendberufshilfe“ (BIAJ), die am Mittwoch vorgestellt wurde. Auf Basis von Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) ermittelten die Experten, dass insbesondere Frauen und Ältere schlechte
Chancen auf einen regulären Arbeitsplatz haben. Das berichtet „Neues Deutschland“ in seiner heutigen Online-Ausgabe.
Knapp die Hälfte der Hartz IV-Bezieher ist dauerhaft auf Sozialleistungen angewiesen
Im Dezember vergangenen Jahres waren mehr 49 Prozent der Leistungsbezieher - 2,14 von
4,35 Millionen Erwerbslosen - vier Jahre oder länger auf Hartz IV angewiesen. Beim Vergleich der Bundesländer zeigte sich, dass in Sachsen-Anhalt mit 58,4 Prozent, in Sachsen mit 56,5 Prozent und
in Brandenburg mit 56 Prozent die Quoten der Langzeit-Hartz IV-Bezieher am höchsten waren. In Bayern lebten dagegen die wenigsten Hartz IV-Bezieher, die seit mindestens vier Jahren auf
Sozialleistungen angewiesen sind. Hier lag die Quote bei 39,6 Prozent. Insgesamt bezogen in West-Deutschland 46,2 Prozent der Leistungsbezieher und in Ost-Deutschland 55,7 Prozent dauerhaft Hartz
IV, wie die Zeitung berichtet.
Insbesondere für Frauen ist es schwierig auf dem Arbeitsmarkt. Bundesweit betrug ihr Anteil an den Hartz IV-Beziehern im vergangenen Dezember 51,72 Prozent. Davon beziehen 51,7 Prozent bereits
seit vier Jahren oder länger Hartz IV. Auch hier belegt Sachsen-Anhalt den traurigen ersten Platz mit 60,8 Prozent. Bei den Männern im Hartz IV-Bezug waren 46,6 Prozent dauerhaft auf Leistungen
nach SGB II angewiesen.
Der Zeitung zufolge haben es neben den Frauen vor allem Ältere schwer auf dem Arbeitsmarkt. Mehr als 25 Prozent der Hartz IV-Bezieher waren im Untersuchungszeitraum über 50 Jahre alt. 36,2
Prozent von ihnen waren mindestens seit vier Jahren auf Leistungen nach SGB II angewiesen. Hier war der Anteil mit 42,8 Prozent beim Vergleich der Bundesländer in Berlin am höchsten.
In der Gruppe der Hartz IV-Aufstocker – Leistungsbezieher, die trotz Teil- oder Vollzeitarbeit nicht von ihrem Gehalt leben können – bezog etwas weniger als ein Drittel bereits seit über vier
Jahren Sozialleistungen, berichtet die Zeitung.